Fit für den Job schon vor der Ausbildung
Copyright: Die Harke 14.11.2025
Nienburg. Es ist die Aussage eines Schülers, die Stefanie Blum nachhaltig beeindruckt. „Nun habe ich mehr als zehn Jahre Schulzeit hinter mir und gehe das erste Mal gerne hin“, sagt Leo, der die elfte Klasse der Nienburger Rahn-Schule besucht. Dort lernen und arbeiten sie seit einigen Monaten mit einem neuen, in der Region so einzigartigem, Konzept.
Blum ist dort didaktische Leiterin, die selbst nach Jahren in der freien Wirtschaft nun wieder in der Bildung arbeitet. Mehr Lust am Lernen durch Eigenverantwortung, mehr Berufsorientierung, weniger Frontalunterricht; das sieht das neue Konzept der elften Klassen der Rahn-Schule vor. Sie ist die erste Privatschule landesweit, die sich dem Innovationsverfahren Niedersachsens für Berufsfachschulen und Fachoberschulen angeschlossen hat.
Neue Struktur, hoher Praxisanteil
An der Schule an der Straße „Am Ahornbusch“ wurde zum Anfang des Schuljahres die bisherige elfte Klasse der Fachoberschule inhaltlich und methodisch neu strukturiert und mit Praxisanteilen der Berufsfachschulen ergänzt. Bereits am Schuljahresende kann nun ein weiterer Abschluss erworben werden, bestenfalls der Erweiterte Sekundarabschluss I. Möglich bleibt, nach einem weiteren Jahr an der Fachoberschule die Fachhochschulreife zu erhalten – oder direkt in eine Ausbildung zu gehen.
Im Zentrum der Umgestaltung stand dabei die Frage: „Was brauchen die Schüler und Schülerinnen, um später im Beruf starten zu können?“, erklärt Schulleiter Sebastian Sonntag. Im Mittelpunkt steht nun praxisorientierter Unterricht, der klassische Lernformen mit realen Erfahrungen verbindet. Neben Übungen, Rollenspielen sowie Gruppen- und Projektarbeiten bildet das „mobile Klassenzimmer“ einen zentralen Bestandteil des Konzepts. Dabei besuchen die Jugendlichen Unternehmen, Betriebe und Institutionen oder lassen sich von Experten in der Schule Karrieremöglichkeiten vorstellen.
Stefanie Blum hatte nach Referendariat und zweitem Staatsexamen viele Jahre in verschiedenen Rollen großer Unternehmen gearbeitet. Ihre Erfahrung: Was vielen fehlt, sind Basiskompetenzen, die über den klassischen Lehrplan hinausgehen; etwa Zeitmanagement und Strukturierung. Viele müssten auch überhaupt merken, was ihnen liegt.
Geschafft wird das etwa mit Aktiv-Lernzeiten, in denen sich die Schüler und Schülerinnen selbst organisieren, um einen gegebenen Lernkatalog nach eigenen Interessen und Möglichkeiten abzuarbeiten. Hinzu kommen Coaching-Gespräche. Gerade dadurch würden individuell Stärken zur Geltung oder gerade erst zum Vorschein kommen, sagt Stefanie Blum.
Bei den Jugendlichen kommt das neue Konzept an. „Wir lernen hier für das echte Leben“, sagt Fiona. Eben das ist ein Kernpunkt, um die jungen Menschen fit für die Zukunft zu machen. Denn dafür fehle im aktuellen Schulsystem häufig die Zeit, erläutert Schulleiter Sonntag: „Schule muss heutzutage mehr Kompetenzen erzeugen, selbst etwas zu gestalten.“
Die Schule bietet vier Bereiche an: Wirtschaft, Gestaltung, Sozialpädagogik sowie Biotechnologie, eine seltene Fachrichtung, die sich gerade deshalb Beliebtheit erfreut. Und selbst dabei zeigt sich die Einrichtung flexibel, weil sich die Schülerinnen und Schüler erst im Laufe des Schuljahres festlegen müssen, nachdem sie sich zu Beginn der elften Klasse noch orientieren können. Das findet Schüler Luca klasse: „Wir müssen uns nicht direkt für einen Schwerpunkt entscheiden, sondern können uns erst einmal im Unterricht einen Überblick verschaffen.“
Da sich auch Berufsfelder immer mehr vermischten, könne das ein Vorteil sein, sagt Blum. Ganz ohne herkömmliche Unterrichtsfächer kommt aber auch diese noch junge Schulform nicht aus. Mathematik, Deutsch und Englisch stehen ebenso auf dem Stundenplan wie Politik und Ethik. Dazu kommen aber eben auch Grundlagen in den Schwerpunkten und das freie Arbeiten.
Praktikum ab Januar
Im Januar des ersten Schulhalbjahres absolvieren die Schüler und Schülerinnen dann ein Vollzeit-Praktikum. Zum zweiten Halbjahr teilt sich der Alltag dann auf in zwei Tage Schule, drei Tage Praktikum. Schon durch das „mobile Klassenzimmer“ sind bis dahin häufig Kontakte in Betriebe geknüpft und Berührungsängste beseitigt. „Die Unternehmen empfangen uns durchaus mit offenen Armen“, sagt Stefanie Blum.
Positiver Nebeneffekt: „Wir haben Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Talenten und Abschlüssen. Das funktioniert gut, weil sich eben jede und jeder nach dem jeweiligen Können einbringen kann“, fasst Sonntag zusammen. Einige merkten gerade durch die Aktiv-Lernzeit, in welchen Bereichen sie besonders stark sind, was sie mit Freude machen und wie sie eine Gruppe voranbringen können.
Wer das neue Konzept näher kennenlernen möchte, hat dazu in der Infowoche vom 25. bis 27. November Gelegenheit. Außerdem sind Anmeldungen für einen Probetag möglich, um am Unterricht teilzunehmen, Lehrkräfte kennenzulernen und einen Eindruck vom Schulalltag zu gewinnen.
DH



